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Lüdenscheider Stolpersteine


Exkurs - Die jüdischen Krankenhäuser am Beispiel des
Jüdischen Krankenhauses Berlin-Wedding in der NS-Zeit

Historischer Hintergrund und Einordnung

Das Jüdische Krankenhaus in Berlin-Wedding wurde am 22. Juni 1914 eröffnet und war eine zentrale medizinische Einrichtung der Jüdischen Gemeinde Berlins. Während der Zeit des Nationalsozialismus avancierte es zur einzigen jüdischen Institution im gesamten Deutschen Reich, die bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 ihren Betrieb aufrechterhielt. Trotz massiver Repressionen und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung blieb das Krankenhaus ununterbrochen geöffnet und wurde zum Zufluchtsort für Verfolgte, Patienten sowie jüdische Ärzte und Mitarbeiter, die andernorts diskriminiert oder vertrieben wurden.

Schikanen, Verfolgung und Einschränkungen

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann für das Krankenhaus eine Zeit großer Härten. Jüdische Ärzte verloren zunehmend ihre Approbationen, Patienten durften bald nur noch jüdisch sein, und nichtjüdische Kassenpatienten wurden ausgeschlossen. Die Klinik wurde zu einer Art „Ghetto für Kranke“ unter strenger Kontrolle der Gestapo und anderer NS-Behörden. Auch 1938 blieben die Gebäude von Zerstörungen verschont, doch das Krankenhaus musste Misshandelte aus Konzentrationslagern behandeln und fungierte zunehmend als Sammelstelle für Deportationen.

Der Krankenhausdirektor Walter Lustig konnte im Jahr 1943 mit großem diplomatischem Geschick Deportationen teilweise verhindern oder verzögern, musste jedoch Listen von Patienten und Personal erstellen, die transportfähig erklärt und deportiert werden sollten. Trotz stetiger Bedrohung und zunehmender Einschränkungen war das Krankenhaus vielerorts die letzte medizinische Anlaufstelle für Berliner Juden und avancierte zu einer wichtigen Schutzstätte, in der bis zu 1000 Menschen bis zum Kriegsende überleben konnten.

Medizinischer Alltag unter Druck

Die Bedingungen im Krankenhaus waren geprägt von allgegenwärtiger Angst vor Deportationen, Medikamentenmangel, Personalengpässen und dem ständigen Druck der NS-Behörden. Die jüdischen Ärzte, Pflegerinnen und das Personal versorgten Patienten unter schwersten Umständen und mussten zugleich die medizinische Versorgung für Juden übernehmen, die von anderen Krankenhäusern abgewiesen wurden. Das Krankenhaus war auch ein Ort der Forschung und des wissenschaftlichen Austauschs, bekannt als „Kleine Charité“, wo zahlreiche renommierte jüdische Mediziner tätig waren.

Funktion als Sammelstelle und Deportationslager

Parallel zur medizinischen Versorgung wurde das Krankenhaus von der Gestapo als Sammelpunkt für Deportationen benutzt. Ab 1942 war die Gestapo präsent, und immer wieder wurden Patienten und Mitarbeiter verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Das Krankenhaus diente somit auch einer grausamen Funktion als Zwischenstation auf dem Weg in die Vernichtungslager. Der letzte größere Deportationstransport verließ Berlin erst am 27. März 1945, wenige Wochen vor Kriegsende.

Nachkriegszeit und Erinnerung

Nach Kriegsende wurde das Jüdische Krankenhaus bald wiedereröffnet und diente als zentrale medizinische Einrichtung der jüdischen Gemeinde. Es wurde 1963 eine Stiftung des bürgerlichen Rechts und wird heute als lebendiges Zeugnis jüdischen Lebens und Leidens in der NS-Zeit gepflegt.

Quellen und weiterführende Literatur



Weitere Hintergrundinformationen:

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